Schulisches

Elternabend

Elternabende gehören ebenso wie Elternsprechtage und Konferenzen zu den Unbot-mäßigkeiten des Schulalltags, die dazu führen, dass unzählige Pädagogen und Pädago-ginnen das normale Pensionsalter in der Regel nicht erreichen können und wollen.

Dabei ist der Name „Elternabend“ eigentlich schon ein grober sprachlicher Fauxpas. Elternabende heißen schon lange nicht mehr Elternabende, sondern im Rahmen schulischer Sprachhygiene „Klassenpflegschaftskonferenzen“, zu denen man einlädt.

 

Einladungen haben es an sich, dass man sie auch ablehnen kann, wovon immer mehr Eltern auch Gebrauch machen. Die wenigen Eltern, die sich die Mühe machen, auf die aktuellste Folge der Bachelorette zu verzichten, um sich um das Gedeihen des eigenen Nachwuchses zu kümmern, sind oft an einer Hand abzuzählen. Schließlich haben Mutter und Vater sowie deren Nachkommenschaft heutzutage manchmal verschiedene Nach-namen, so dass man zusehen muss, dass man die werten Sprösslinge den elterlichen Erzeugern richtig zuordnet.

 

Am eigentlichen Abend huschen zwischen 19.30 und 19.45 Uhr sukzessive nach Zigarettenrauch riechende Mütter und Väter in Minutenintervallen in den Klassenraum.

Bei den Wahlen zum Klassenpflegschaftsvorsitz ergeht es den Eltern ebenso wie Leh-rern, die bei Konferenzen dazu genötigt werden sollen, das gefühlt fünfzehnte über-flüssige, jedoch enorm prestigeprächtige Projekt zu schultern. Betretenes Schweigen und gesenkte Blicke wie bei Sechstklässlern, die beim Spicken erwischt worden sind.

 

Die Eltern bei solchen Veranstaltungen sind ebenso bunt gemischt wie die verschie-denen Landsmannschaften beim alljährlichen DSDS-Finale. Kopftücher, lässige Desig-nerjeans, lange Röcke bei den evangelikalen Minderheiten, Holzfällerhemden sowie

80-er Jahre Dauerwellen ehemals ostdeutscher und russischer Über-und Umsiedler.

32-jährige, vom Solarium gezeichnete Frühgebärende sind ebenso anzutreffen wie Mitfuffziger vom Bauernhof, deren langersehnter männlicher Nachwuchs zum Eltern-abend begeleitet wird. Ist die Mutter alleinerziehend, was heute durchaus vorkommen soll, so kann es passieren, dass jüngere Geschwister mit ihrem bunten Treiben die monotone Langeweile des Elternabends ordentlich aufmischen. „Chantal, lass das!“ oder „Kevin, jetzt ist aber Ruhe im Karton!“ sind noch harmlose Aufforderungen, die Erwach-senen doch endlich in Ruhe zu lassen.

 

Betrachtet man das dauernde Gekicher und Quatschen einiger weiblicher Partizipan-tinnen, so verwundert es nicht, dass deren Nachwuchs sich kaum mehr als eine Minute ruhig auf dem Stuhl halten kann statt sich mit der Interpretation von Kafkas Spätwerk zu beschäftigen.

 

Ist der eigentliche Elternabend zu Ende, so versammeln sich gefühlte zehn Mütter am Pult, um noch zu erwähnen, dass die eigene Tochter von Mitschülern ständig als Schlampe bezeichnet oder der Sohn immer im Klassenschrank eingeschlossen wird.

Das vermeintlich starke Geschlecht ist zumeist eher schwach vertreten bei solch megabeliebten Events. Die wenigen Männer werden von ihren Frauen mitgeschleppt und kommen einem vor wie pubertäre Jünglinge beim Konfirmandenunterricht in der letzten Reihe. Wie heißt es noch: „Die Ehe ist die einzige Institution, bei der die Mehrzahl der Führungspositionen von Frauen besetzt wird!“

Nachprüfungen

Muss Frau Merkel ihren wohlverdienten Urlaub in Südtirol oder auf Ischia jedes Jahr diverse Male unterbrechen, um sich mit Marginalien wie Folter, Waffenlieferungen und Hamas zu beschäftigen, so sind es bei den Herren Studienräten zumeist die wesentlich gewichtgeren Nachprüfungen zu Beginn des neuen Schuljahres, die den Sechswochen-trip nach Kalifornien vorzeitig überschatten können.

 

Da gibt man schon eine Fünf, um einen ungeliebten Schüler nie wiederzusehen, hat aber die Rechnung nicht mit den wohlwollenden Noten der Kollegen gemacht, die allesamt die Nichtleistung der Delinquenten mit ausreichend bewertet haben.

 

Nachprüfungen sind etwas fürchterliches für Lehrer und werden ebenso gemieden wie Darmkrebsvorsorgen, Maiskolben auf dem Grill oder zu warmer Weißwein.

 

Findige Pädagogen umgehen diesen Horror komplett, indem man das Notenspektrum nur bis 3 ausschöpft, um somit die Sommerferien ungestört im australischen Winter verbringen zu können. Dies alles ist eigentlich auch gar nicht nötig, da viele Schüler entweder einige Tage vorher per sms absagen oder nicht erst erscheinen zum anbe-raumten Termin, da die Prüfungen schon um 9 Uhr morgens angesetzt sind und man zu diesen unchristlichen Zeiten in der Regel noch die 300 Whatsapp Nachrichten der vergangenen Nacht zu beantworten hat.

 

Häufig haben diese Schüler keine Unterrichtsmappe mehr nach dem Schuljahr, da man diese entweder umgehend entsorgt hat oder erst gar nicht angeschafft wurde. Was man nicht hat, kann in der Regel auch nicht verloren gehen.

 

Der Aufzug der Nachprüflinge erinnert an Bühnenaccessoires von Kanye West oder Justin Bieber. Baseballcappie (natürlich verkehrt herum), graue Jogginghose, Muskel-shirt und coole Strähnchen im Gesicht sind die Insignien der coolen Checker von heute.

 

Die eigentliche Prüfung erinnert oft an ein Ratequiz in der Vorschule eines Berliner Problembezirks. Die Antworten sind „großartig“ und müssten von einem versteckten Diktiergerät eigentlich aufgezeichnet werden, um nachfolgenden Generationen als Menetekel einer untergehenden ehemaligen Kulturnation vorgespielt zu werden. Einige Schüler halten Kain und Abel für „Kumpels“, andere kennen den Namen der Lektüre nicht, die man ein halbes Jahr versucht hat zu interpretieren, andere wissen vorher wiederum nicht einmal den genauen Prüfungstag, da man dafür in den sechs Wochen ja hätte einmal zum Telefonhörer greifen müssen.

 

Zuviel verlangt von 15-jährigen Vertretern der Generation „Kopf unten“, die den Besuch der Gamescom in Köln verständlicherweise geiler finden als sich mit so unwichtigen Dingen wie der Zinsrechnung oder der englischen Grammatik zu beschäftigen. Auf die Frage, ob man denn überhaupt noch lese bekommt man die treffende Antwort: „Ja klar, Videotext!“

Lehrerkonferenz

Bis weit in die 70er Jahre waren Konferenzen im Lehrerzimmer eine absolute Ausnahme. Niemand wäre auf die Idee gekommen, den Halbtagskräften den Nachmittag zu versauen mit derlei unnötigem Gedöns.  Zudem konnte man vor lauter Rauchschwaden schwerlich die zumeist männlichen Schulleitungen erahnen. Dies waren noch goldene Zeiten für die geschundene Pädagogenseele.

 

Heute werden die zumeist wöchentlich stattfindenden Events von Frauen mit Binde-strichnamen geleitet. Schon Tage vorher ist die gesamte Belegschaft in hellster Aufregung: „Was ist mit meinem Golftermin? Muss ich die Tennisstunde absagen? Fällt nun etwa die Ayurveda-Beölung am Nachmittag aus? Dienstags ist seit zwei Jahrzehnten mein freier Tag!“ Fragen über Fragen...

 

Konferenzen haben zudem den Nachteil, dass sie exakt in die Phase des täglichen Mittagsschlafes der Lehrer fallen, der unter normalen Bedingungen auf der heimatlichen Couch wahrgenommen wird. Nun verlangt man von den ohnehin schon gestressten Pädagogen, dass sie mit kaum wahrnehmbarem Biorhythmus zur Unzeit am frühen Nachmittag den Ausführungen der Schulleitung folgen sollen, die dann mit großem Fremdschämfaktor die neuesten Projektvorhaben der jeweiligen Landesregierungen vorstellen:

 

Antirassismuskampagne in Klasse 7, Soziales Lernen allenthalben, Inklusion für geistig Behinderte mit Migrationshintergrund, Suchtprophylaxe für die 10-Klässler, Aktion Gesunde Schule, Facebookmobbing, Einrichtung von Energiewächtern, Sponsorenlauf für Timbuktu usw.

 

Die Agenda der Grausamkeiten lässt sich beliebig fortsetzen. Es gibt nichts was unwichtig genug erscheinen könnte, den Unterricht in den Hauptfächern weiter zu reduzieren und neue Untergruppen ins Leben zu rufen.

Dem pädagogischen Gutmenschentum sind dabei keinerlei Grenzen gesetzt. Die Kolle-gen nehmen alles mit Kopfschütteln oder gespielter Indifferenz zur Kenntnis. Was man davon hält? Dasselbe wie die meisten Schüler, die mit den Neuerungen kurze Zeit später malträtiert werden: Nichts!!!

 

Ferner lassen sich hervorragende Sozialstudien zur Gattung Lehrer betreiben in Konfe-renzen. Noch nicht ausgebrannte Jungkollegen reißen sich die Arme aus, um keine Neubildung irgendeiner Steuer-, Projekt- oder Planungsgruppe zu verpassen. Irgendwann winkt die fällige Beförderung für derlei Aktionismus.

 

Die älteren Kollegen planen währenddessen die Checkliste für den nächsten Griechen-landtrip oder nicken einfach kurz weg. Notorische Nörgler und Gewerkschaftsmitglieder, die die Ableistung von einer Vertretungsstunde pro Woche für nicht vereinbar mit der Genfer Konvention halten, fallen der Schulleitung in gefühlten Zwei-Minuten-Intervallen ins Wort.

 

Kollegen, die ansonsten jedes Schülerhandy seismographisch orten und umgehend abnehmen, schicken unter dem Tisch Mails an die Kinder, andere korrigieren gelangweilt Tests oder bereiten den Unterricht für die Restwoche vor.

 

Früher hielten Schulleiter in grauen Anzügen Monologe. Heute werden „Quasselgruppen“ gebildet, unvermeidliche Powerpoints beherrschen die Szenerie, verschiedenfarbig laminierte Kärtchen werden verteilt zwecks Einholung eines Meinungsbildes und so weiter. Das Vorgehen erinnert zunehmend an die semiprofessionellen Zirkus-veranstaltungen der geschundenen Referendare im Rahmen eines Unterrichtsbesuches.

 

Dauert die Konferenz gefühlte 10 Minuten länger als angedacht, so echauffieren sich die beteiligten Kollegen im Rahmen der Fahrgemeinschaft auf der Rückfahrt zum Heimatort im Golf Plus oder Seat Leon über derart unzumutbare Arbeitsbedingungen. Wenn der Golftermin schon abgesagt werden muss, so will man wenigstens den Saunagang pünktlich gegen 17 Uhr beginnen. Schließlich gilt weiterhin: Lehrer haben vormittags recht und nachmittags frei!

Elternsprechtag

Elternsprechtage gehören zu den ultimativen Highlights im Lehrerleben. Sie stören den dringend notwendigen Mittagsschlaf der Pädagogen von etwa 13-15 Uhr empfindlich und sind dem Biorhythmus sowie dem inneren Gleichgewicht eher abträglich. Außerdem ist niemandem in diesem Land zuzumuten, bis etwa 18 Uhr ohne Pausen durchzuarbeiten, Beamten schon gar nicht! Hat man Ärzte, Pflegepersonal oder gar Kaufleute im Einzelhandel jemals solchen Torturen ausgesetzt? Schon erstaunlich, dass linke Lehrergewerkschaften noch nicht vor dem Kanzleramt mit schlecht gereimten Plakaten gegen solcherlei spätkapitalistisches Gebahren protestiert haben.

 

Im Grunde drehen sich alle Gespräche zu diesem Anlass um dieselbe Thematik. Der Schüler ist stinkfaul, benötigt zwei Wochen für die Vorlage einer Testunterschrift sowie drei Wochen für das Mitbringen von 3 Euro Kopiergeld, allerdings bei gleichzeitigem täglichen Verzehr von zwei Negerkussbrötchen-darf man das noch sagen?- beim hauseigenen Bäcker.

 

Die Offenheit vieler Erziehungsberechtigten mag dabei durchaus überraschen. „Das hat er von mir. Ich war früher auch so!“ oder „Die Hausaufgaben hat er am Montag nie. Er ist am Wochenende beim Vater und da spielen die den ganzen Tag Playstation!“ sind dabei noch harmlos. Eine Mutter sagte mir einmal über sich und ihre 15-jährige Tochter, dass das Problem der weiblichen Familienmitglieder darin liege, immer auf die falschen Männer reinzufallen. Danach wurde einem manches klar...

 

Solche Sätze, artikuliert von Menschen mit Unterarmtattoos, Kaugummi im Mund sowie einer stattlichen Anzahl Piercings, die jeden Metalldetektoren am Chicagoer Flughafen frohlocken lassen würden, lassen die Lust auf den wohlverdienten Feierabend ins Unermessliche steigern.

 

Schüler mit Migrationshintergrund erscheinen in der Regel nicht unter fünf Perso-nen. Zumindest mehrere Töchter stehen immer parat, um der Mutter die Defizite des Sohnes wortreich zu erläutern. Die Übersetzung eines Satzes für die Mutter wie „Ihr Sohn tut nichts!“ kann schon manchmal gefühlte zwei Minuten in Anspruch nehmen.

 

Angesichts wild gestikulierender Familiemitglieder wird man Zeuge einer zuneh-menden Gewaltspirale, an der sämtliche schulischen Maßnahmen zur Konflikt-prophylaxe wenig zu ändern scheinen. Schlussendlich muss man mitansehen, wie die Mutter mit immer grimmigerem Blick beinahe der Versuchung erliegt, dem Sohn in Anwesenheit des pädagogischen Personals eine „runterzuhauen“. Dies würde durchaus zurecht geschehen, ist jedoch nicht erlaubt, wegen Genfer Konvention und Grundgesetz, und Menschenwürde und so.

 

Besonders gern erscheinen Eltern, deren Kinder im Notenbereich 1,0 anzusiedeln sind und kurz vor dem Nobelpreis in Plasmaphysik stehen. Es muss einfach unglaublich gut tun, von fünf unterschiedlichen Kollegen bestätigt zu bekommen, dass die eigene Brut besonders wohl gediehen ist und von ganz außerordentlicher Güte scheint.

 

Einige Mütter kommen alleine, andere mit dickem Bauch und drei weiteren Kindern, die während des Versuches ein Gespräch zu führen im Klassenraum umhertollen und dabei die völlige Zerstörung des Restmobiliars avisieren, zumindest den Teil betreffend, der überhaupt noch in vorzeigbarem Zustand sein Dasein fristet.

 

Aber auch für Lehrer hat der Horror irgendwann ein Ende. Besonders intelligente Vertreter der Spezies Pädagoge geben im Vorfeld erst gar keine schlechten Noten, somit minimiert man die Gefahr, von zu vielen Eltern verbal malträtiert zu werden.

 

Einige Kollegen empfangen in 5-Minuten Intervallen Besuch, andere langweilen sich bei einer Tasse Kaffee und dem obligatorischen Kuchen zu Tode und verlassen in der Regel eine halbe Stunde vor offiziellem Ablauf durch den Hinterausgang das Schulgebäude, um ungesehen von der Schulleitung schnellstmöglich zum Auto zu gelangen und somit den Rotwein in Peer Steinbrück Manier-nicht unter 5 Euro die Flasche!-eher zu decantieren als der Rest des geschundenen Kollegiums. „Es möge nützen-Prosit!“